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Wissenschaftspolitik

Turbulenzen des WissZeitVG

Am 17. März hat das BMBF die Eckpunkte für die Reform des WissZeitVG vorgelegt – und nach zwei Tagen wieder zurückgezogen. Das Eckpunktepapier verweist auf den Stakeholder-Prozess, der im Juni letzten Jahres begonnen wurde und der eher die Unterschiede als die Gemeinsamkeiten der vertretenen Positionen verdeutlicht zu haben scheint. Die Ausgangssituation macht es also nicht leicht, einen Kompromiss zu finden.

Wie die Reaktionen zeigen, ist das vorgelegte Ergebnis nur in der einhelligen Ablehnung konsensfähig. Mit den Eckpunkten wollte das BMBF nach einem mehrmonatigen Austausch zur Landung ansetzen. Dabei sind jedoch so viele Turbulenzen aufgetreten, dass man lieber nochmal durchstarten möchte. Die Suche nach einem Ausweg läuft auf Hochtouren. Klar scheint zu sein, dass alle wesentlichen Elemente des WissZeitVG angefasst werden sollen:

  • In der ersten Qualifizierungsphase soll der erste Arbeitsvertrag eine Laufzeit von mindestens drei Jahren haben, wobei die Höchstbefristungsdauer unverändert sechs Jahre betragen wird.
  • Der Begriff der Qualifizierung wird in Gesetzestext nicht konkretisiert, in der Gesetzesbegründung jedoch klargestellt.
  • Die Höchstbefristungsdauer der zweiten Qualifizierungsphase nach der Promotion soll von sechs auf drei Jahre verkürzt werden; diese Verkürzung ist der größte Streitpunkt. Der erste Arbeitsvertrag als Postdoc soll mindestens zwei Jahre laufen.
  • Die Privilegierung der fachärztlichen Weiterbildung an den Unikliniken wird gestrichen; sie soll im Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung (ÄArbVtrG) geregelt werden.
  • Die Drittmittelbefristung soll künftig erst dann genutzt werden können, wenn die Höchstbefristungsdauer ausgeschöpft ist; damit ist wohl die gesamte Dauer von 6+3 Jahren gemeint.
  • Für die studienbegleitende Beschäftigung soll die Höchstbefristungsdauer von sechs auf acht Jahre verlängert werden (Mindestvertragslaufzeit: ein Jahr).
  • Die Tarifsperre wird teilweise aufgehoben, sodass einzelne Bestimmungen künftig in Tarifverträgen abweichend vom WissZeitVG geregelt werden können.

Die dreijährige Mindestvertragslaufzeit für den ersten Arbeitsvertrag ist eine typische Kompromisslösung. Sie ist zu lang, um die Qualifizierung ohne größere Verluste abzubrechen. In der Mehrzahl der Fälle ist sie zu kurz, um die Qualifizierung abzuschließen. Und sie ist gerade noch richtig, um einen Hebel für eine eventuelle Nachsteuerung ansetzen zu können. Die Evaluation des WissZeitVG zeigt, dass die dreijährigen Erstverträge bei der angestrebten Verbesserung der Vertragslaufzeiten den Unterschied gemacht haben, die dann aber nicht so positiv ausgefallen ist, wie viele gehofft hatten. Die Mindestvertragslaufzeit nun als arbeitsrechtliche Soll-Bestimmung vorzuschreiben, kann als Ermahnung verstanden werden, den Weg, auf den sich die Hochschulen und Forschungseinrichtungen gemacht haben, konsequenter als in den zurückliegenden Jahren fortzusetzen.

Interessant wird sein, wie die dreijährige Laufzeit im Gesetzentwurf begründet wird. Sie scheint nicht zu dem seit 2016 geltenden Ansatz zu passen, dass die Vertragslaufzeit der angestrebten Qualifizierung entsprechen soll; diesem Ansatz zufolge müssen sowohl die Laufzeit als auch das Ziel im jeweiligen Qualifizierungsverhältnis (und nicht a priori) konkretisiert werden. Das Argument könnte darauf hinauslaufen, dass zunächst eine feste Qualifizierungszeit zur Verfügung gestellt wird, mit der die Erwartung verbunden ist, sich ein Stück weit wissenschaftlich zu entwickeln. Die Frage ist dann, wie weit ‚ein Stück weit‘ ist. Soll die Qualifizierung in den drei Jahren – sofern man nicht ganz fertig wird –, zumindest zum überwiegenden Teil fortgeschritten sein? Dann ist es nicht plausibel, an der sechsjährigen Höchstbefristungsdauer festzuhalten. Oder soll mit weiteren befristeten Arbeitsverträgen die Zeit bis zum Erreichen des Qualifizierungsziels, das signifikant mehr als drei Jahre beansprucht, abgedeckt werden? Dann würde man möglicherweise weiterhin mehr Kurzbefristungen zulassen als gewünscht.

Die konfliktträchtigste Änderung ist die verkürzte Höchstbefristungsdauer der Postdoc-Phase auf die Hälfte der Zeit. Mit ihr ist die Erwartung verbunden, dass die Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Länder Wege aufzeigen, wie die berufliche Entwicklung nach diesen Jahren weitergeht. Das Eckpunktepapier formuliert das Ziel, dass frühzeitige Perspektiven geschaffen (auch für Karrieren außerhalb der akademischen Wissenschaft) und dass klare Entfristungsperspektiven geboten werden. Hier deutet sich eine institutionalisierte Bifurkation der Postdoc-Phase an: früher raus oder länger drin. Wie dies umgesetzt werden kann, beantwortet das Eckpunktepapier allerdings nicht. Da liegt es nahe zu unterstellen, es beabsichtige, dass die Postdocs künftig in drei Jahren schaffen sollen, was sie heute kaum in sechs Jahren schaffen.

Ein in den letzten Monaten von unterschiedlicher Seite geäußerter Vorschlag will die Befristung mit einem Tenure Track verknüpfen: Wer als Postdoc befristet beschäftigt wird (nach einer gewissen Orientierungs- oder Profilierungsphase), erhält die Option, dauerhaft an der Einrichtung zu bleiben. Das klingt plausibel, lässt sich im WissZeitVG aber vielleicht gar nicht kohärent und rechtssicher realisieren:

  • Erstens besteht die Funktion des WissZeitVG darin, Befristungen zu begründen; dies mit einer echten Option auf ein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis zu tun, ist nur schwer in Einklang zu bringen.
  • Zweitens liegen Sinn und Zweck des WissZeitVG in der wissenschaftlichen Qualifizierung, also im Erwerb von Kompetenzen, und nicht in der Erbringung bestimmter Leistungen, die die Voraussetzung für einen erfolgreichen Tenure Track sind. Auch wenn Kompetenzen (Fähigkeiten, Befähigungen etc.) eng mit den Leistungen zusammenhängen, sind sie nicht dasselbe. Eine Tenure Track-Option im WissZeitVG müsste konsequenterweise bedeuten, sich für den Verbleib in einer Organisation zu qualifizieren. Hier liegt das Risiko nahe, Qualifizierung mit Bewährung zu verwechseln.

Unabhängig davon, ob es gelingen kann, eine Entfristungsperspektive mit einer bestimmten Qualifizierungsphase im WissZeitVG zu verknüpfen, liegt es auf der Hand, dass diese Perspektive nicht im Gesetz, sondern an anderer Stelle eröffnet, gestaltet und entschieden wird.

Die Schwäche des Eckpunktepapiers besteht darin, dass die dreijährige Höchstbefristungsdauer zu kurz ist, um die Leistungen von sechs Jahren zu erbringen, und dass sie zugleich so lang ausfällt, dass der Anreiz vermutlich schwach ist, die erwarteten Änderungen der Personalentwicklung und Personalstrukturentwicklung mit der erforderlichen Konsequenz vorzunehmen. Die Schwäche besteht also darin, dass das Risiko der verkürzten Postdoc-Phase vollständig bei den Wissenschaftler:innen abgeladen wird.

Der Vorteil des Eckpunktepapiers besteht indes darin, die Sollbruchstelle in der (zumindest universitären) Personalstruktur markiert und zugespitzt zu haben. Geht man davon aus, dass die Verkürzung der Postdoc-Phase nicht vom Tisch ist, sondern überarbeitet wird, wird es darum gehen, auf allen Ebenen geeignete Maßnahmen zu entwickeln: um die Postdoc-Phase zu entlasten; um sie mit den nötigen wissenschaftlichen Freiheiten auszustatten; um institutionalisierte Mechanismen der Personalentwicklung und -auswahl zu etablieren; um ein funktionales Maß an Dauerbeschäftigung zu etablieren. Dies könnte eine Entzerrung bewirken – bedeutet aber ebenso, dass es auch künftig mehr Postdocs geben wird, als das System dauerhaft aufnehmen kann. Offensichtlich muss die Postdoc-Phase neu gedacht werden. Streit scheint vorprogrammiert zu sein. Hoffentlich ist er produktiv.

Bildquelle: Dr. Georg Jongmanns


Dr. Georg Jongmanns